Galleria Messe Frankfurt Magazin, 1/2013
Im zweiten Teil der Galleria-Reihe zum Thema Führung zeigt der Koch Steffen Burkhardt, wie man in der Küche führt. Die Rezepte des Führens kann man durchaus auf andere Lebensbereiche übertragen. Probieren Sie selbst…
Von Christian Tröster
Dass die Küche eine Schule fürs Leben sein kann – aus dieser Erkenntnis kann man ganze Fernsehserien machen. Sozial benachteiligte Jugendliche sollen da mit dem Gemüseschneiden, Braten und Servieren auch Verantwortungsgefühl und Kommunikation lernen. Leben und Kochen, so die Botschaft solcher Serien, gelingen nicht nach Rezept. Und aus dem einen kann man für das andere Lernen.
Dass das so ist, weiß Steffen Burkhardt schon lange. Vor über zwanzig Jahren eröffnete er in Hamburg St. Pauli das Nil, ein Restaurant, das schnell Erfolg hatte und zur Institution in der Hansestadt wurde. Kochen hatte Burckhardt vor der Erföffnung des Nil natürlich gelernt, an bester Adresse im noblen Landhaus Scherrer. Neu dagegen war für ihn die Erfahrung, ein Team leiten zu müssen. Plötzlich war er Chef von bis zu 35 Mitarbeiter in Küche und Service. „Es wird ja keiner als Chef geboren, das muss man lernen“, erinnert er sich: „Zuerst wollte ich mit allen gut Freund sein. Aber als Chef muss man sich auch mal unbeliebt machen. Das auch selbst auszuhalten ist ein persönlicher Prozess“. Seither interessiert sich Burkhardt nicht nur für Rezepte und Aromen sondern auch für die vermeintlich weichen Faktoren bei harter Arbeit. Und entwickelte daraus eine Trainingsmethode, die Küchengeräte zu Erkenntniswerkzeugen macht. Serviert wird erhellende Kost, gewürzt mit Elementen aus Transaktionsanalyse und Themenzentrierter Interaktion. Bei den Methoden geht es um die Vernüpfung von Tiefenpsychologie und Organisationentwicklung. Gängige Instrumente sind dabei, Beziehungen sichtbar zu machen, indem Personen im Raum aufgestellt werden. Oder indem Gemeinschaften als „Dorf“ oder „Schiffsmannschaft“ grafisch dargestellt werden. Diese Methoden erweiterte Burckhardt um Petersilie hacken und Fische ausnehmen. Organisationsentwicklung und Teambildung, so seine Überzeugung, dürfen ruhig auch mal gut schmecken. „Oft werde ich gefragt, ob das eine reine Spassveranstaltung sei, dabei ist Spass ist ein hoher Motivator fürs Lernen“.
Ausgangspunkt für seine Workshops ist jeweils ein Warenkorb. Der wird den Trainingsgruppen vorgesetzt mit der Aufgabe, aus den Zutaten in limitierter Zeit ein Essen zu bereiten. Messer, Töpfe und Pfannen stehen dafür bereit. Was dagegen fehlt, ist ein Rezept. Und das hat Folgen, zumal die Zutaten so gewählt sind, dass daraus unterschiediche Speisen entstehen können. Für eine Vorspeise stellt Burkhardt zum Beispiel diverse Gemüse bereit, dazu Eier, Mehl, Paniermehl, Petersilie, Pinienkerne, Parmesan und Butter. Auch Hobbyköche fällt dazu ein, dass man daraus Crèpes mit Gemüsefüllung machen könnte oder Omlettes mit Salat und gebratenem Gemüse. Petersilie, Käse und Pinienkerne könnte man darüber streuen. Oder sie zu einem Pesto verarbeiten. Die Gruppe muss also zuerst entscheiden. Und dann gemeinsam arbeiten. Steffen Burkhardt steht dabei und weil es sich hier um eine Trainigsmaßnahme handelt und nicht um einen Kochkurs, ist für ihn die Qualität des Essens eher nebensächlich. Dafür analysiert er die Interaktion im Team um so genauer. Selbst wenn die Gruppe ihn als Koch um Rat fragt, ist das für ihn von Interesse. „Das zeigt, wie die Mitglieder mit eigenen Schwächen umgehen und wie weit sie bereit sind, sich externe Hilfe zu holen“. Ob und wie der Koch da Hilfestellung leistet, entscheidet er situativ. Hauptsache die Probanten schnippeln, braten und mixen mit-, für- oder auch gegeneinander. Burkhardts (innerer) Fragenkatalog dazu liest sich wie ein Klassiker der Kommunikationslehre: Kommen Entscheidungen gleichberechtigt zustande oder hierarchisch? Werden die Aufgaben nach Kompetenzen verteilt oder nach anderen Kriterien? Machen alle alles oder gibt es Spezialisten? Wie geht die Gruppe mit Konflikten um? Wie werden die einzelnen eingebunden? Werden alle Kompetenzen genutzt? „Man erkennt in konzentierter Form die Strukturen, die sich auch im Alltag abspielen“, erklärt Burkhardt. Am Ende des Tages oder auch mal zwischendrin spiegelt der Coach den Teilnehmern das Gesehene in einem Gespräch zurück und macht auf diese Weise Dinge sichtbar, die sonst eher unbewußt ablaufen. „Das muss nicht immer negativ sein,“ erläutert er, „Manche Teams erkennen dadurch erst, wie gut sie zusammenarbeiten und wissen das um so mehr zu schätzen“. Bewußtwerdung ist das eine Ziel, das andere, ungenutze Schätze zu heben. „Warum sollten die Mitarbeiter nicht ihr volles Potenzial nutzen? Woran liegt es, dass sie es möglicherweise nicht tun? Auch für mich als Führungskraft ist es doch eine Entlastung, wenn nicht alles von meinen Fähigkeiten alleine abhängt“. Manchmal aber ist die Führungsspitze auch das Problem. „Ich stelle niemanden vor dem Team bloß“, erläutert Burckhardt, „Wir analysieren das hinterher in Ruhe und versuchen Wege der Veränderung zu entwickeln“. Am Ende des Koch-Coachings sollte in jedem Fall ein arbeitsfähiges und besser funktionierendes Team stehen, auch wenn tiefer sitzende Konflikte nicht an einem oder zwei Tagen zu lösen sind. Sogar Schritte zur Prozessoptimierung können ein Ergebnis der Workshops sein, denn auch hier läßt sich von Köchen lernen. „In der Küche werden alle Arbeiten in kleine Schritte unterteilt“, erklärt Burkhardt, „Der zweite beginnt erst, wenn der erste für alle Produkte abgeschlossen ist. Fische werden deshalb nicht einzeln filettiert und portioniert. Zuerst werden alle ausgenommen, dann werden alle zerkleinert. So arbeitet man schneller“.
Auch für die eigene Arbeit und Selbstwahrnehmung hat Steffen Burkhardt von den Psycho-Techniken profitiert. Zurückblickend auf den Beginn seiner Karriere sagt er: „Ich würde heute vieles anders machen. Ich kann den Sinn von Hierarchie viel besser würdigen. Das heißt nicht, dass man Mitarbeiter klein macht oder nicht respektiert. Aber eine klare Hierarchie ist eine große Hilfe“.