NEXT. So leben wir morgen. (RWE-Magazin) 2/2012
Licht ist immer und überall und wird genau deshalb oft übersehen. Aber nicht von Ulrike Brandi. Deutschlands bekannteste Lichtplanerin weiß wie man damit Räume inszeniert und Atmosphäre schafft – und gibt Tipps zu Technik, Atmosphäre und gesundem Umgang mit Licht.
Wenn der Mensch eine Lampe kauft, achtet er vor allem auf das Design. Ist der Schirm schön? Gefallen Material und Stil, passt alles zur Wohnung? Berechtigte Fragen. Doch spricht man Ulrike Brandi, Deutschlands bekanntester Lichtplanerin, darauf an, weist sie auf etwas anderes hin: „Was passiert mit dem Licht, wenn es die Leuchte verlassen hat?“ Tritt es punktförmig aus oder diffus, ist es warm oder kalt, und was macht es mit den Wänden, den Materialien, dem Raum und wirkt es schließlich auf die Menschen? So sehr haben Fragen wie diese sie fasziniert, dass sie schon während des Design-Studiums das Entwerfen von Leuchtkörpern sein ließ. Sie beschäftigte sich nur noch mit dem Licht selber und wurde Lichtdesignerin. Vor 25 Jahren war das ein exotischer Beruf und bis heute ist es einer, der in der Öffentlichkeit kaum bekannt ist. Ulrike Brandi hat mit ihrer Profession dennoch eine rasante Karriere gemacht. Mit ihren Büros in Hamburg, München und zwischenzeitlich auch Peking, hat sie Kirchen beleuchtet und Museen, Geschäfte, Büros, Krankenhäuser, Schwimmbäder und ganze Städte. Zwischen dem Mercedes Benz Museum in Berlin, der Elbphilharmonie in Hamburg und der Zentralbank von Kuala Lumpur gibt es keinen Bautypus, für den sie nicht schon einmal angemessenes Licht, schöne Atmosphäre oder gute Orientierung entwickelt hätte. Die lange Liste ihrer Projekte, es sind mehr als achthundert in elf Ländern Ländern, sagt aber auch etwas scheinbar Selbstverständliches aus: Licht ist immer und überall, es ist ein Baustoff in der Architektur und Leitplanke im Verkehr, es ist Lebensmittel, Stimmungsmacher und Medikament in einem – und wird dabei doch so oft übersehen: Dass es da ist merken wir vor allem, wenn es stört.
Wenn das der Fall ist, befindet man sich vermutlich nicht in einem Projekt von Ulrike Brandi. Denn die Designerin hat eine differenzierte und sensible Strategie für den Umgang mit Licht entwickelt: „Wir arbeiten mit Blick auf die Menschen, die damit später zu tun haben. Die Technik muss dem Menschen dienen, nicht umgekehrt“. Klingt wie eine Allerweltsweisheit, ist es aber nicht. Beim Bahnhof Berlin Alexanderplatz, erinnert sie sich, waren über den Bahnsteigen Leuchten in drei Meter Höhe vorgesehen. Die gaben ausreichend Licht und ließen sich gut warten – für Ingenieure der Bahn war die Lichtplanung damit abgeschlossen. Nur hatten sie dabei übersehen, dass sich über den Bahnsteigen auch noch eine historische, 30 Meter hohe Bahnhofshalle befindet. „Wir haben durchgesetzt, dass die Hallendecke leicht angestrahlt wurde“, erinnert sich Ulrike Brandi, „erst dadurch konnte sie auch im Dunkeln überhaupt sichtbar werden. Was für ein Raumerlebnis für die Menschen!“. Ulrike Brandi beschreibt damit zugleich ein Prinzip, das ihre Arbeit wie ein roter Faden durchzieht. Nicht einzelne Objekte will sie anstrahlen, sondern Kontext durch Licht erlebbar machen. Dazu gehört auch der bewusste Umgang mit der Dunkelheit. „Will man in einem Park die Wege nachts sicher machen, dann sollte man sie nicht zu hell beleuchten“, sagt sie. Das Auge stellt sich auf starke Helligkeit ein, das umgebende Dunkel wird dadurch in der Wahrnehmung zu einer schwarzen Wand. Auf diese Weise entsteht das Paradox, dass man durch mehr Licht weniger sieht – was dann oft in der unreflektierten Forderung nach noch mehr Licht endet. „Ein intelligenterer Weg ist es, die Wege nicht grell zu beleuchten“, sagt Ulrike Brandi, „dafür aber die anderen Räume des Parks mit wenig Licht zu akzentuieren. Erst dann kann der Spaziergänger auch nachts den umgebenden Raum wahrnehmen. Dadurch erhält er Orientierung und ein Gefühl der Sicherheit“.
Nach dieser, am Menschen orientierten Design-Auffassung, wundert es nicht, dass Ulrike Brandi auch dem aktuellen Hype um die LED kritisch gegenüber steht. „Die Industrie hat sich nur auf die Effizienz fokussiert, dabei aber die Lichtqualität vergessen“, sagt sie. Das Ergebnis sind die bekannten, scharfen Lichtpunkte der LED. Die blenden und werfen scharfe Schatten. Für Wohnung sind LED-Lampen also nicht in jedem Falle geeignet, selbst nicht in Form der sogenannten Retrofits – das sind jene LED, die in die Fassung klassischer Glühbirnen geschraubt werden. Ulrike Brandi hält diese Leuchtmittel für mindestens fragwürdig. „Die Retrofits erinnern mich an die ersten Autos, die wie Kutschen aussehen sollten“, analysiert Brandi, „sie orientieren sich an der Vergangenheit, nicht an ihrem eigenen, großen Potenzial. Beim Licht befinden wir uns heute in einer Übergangszeit. Es gibt viele spannende Optionen für die Zukunft, gerade mit LED“. Die wichtigste Neuerung dabei ist die Möglichkeit zur Steuerung. Denn mit den Leuchtdioden kann man nicht nur einfach dimmen, sondern auch die Lichtfarbe ändern. Von neutralweiß über tageslichtweiß bis warmweiß. Damit ist es möglich, besser auf die emotionalen Bedürfnisse und den Biorythmus des Menschen einzugehen: helles, weißes Licht zum Arbeiten, warmes für private Bedürfnisse und für Zeiten der Ruhe. Dunkelheit sollte dagegen in der Nacht herrschen. Denn wer gut schlafen will, kann dies am besten im Dunkeln. Nächtliches Licht, auch Streulicht von Straßenlaternen, Werbetafeln oder Displays in der Wohnung, stört erwiesenermaßen den Serotonin- und Melatoninhaushalt des Menschen und hat negativen Einfluss auf die Gesundheit. Wer über Licht nachdenkt, weiß Ulrike Brandi, sollte die Dunkelheit gleich mit planen. Erst zusammen machen sie ein Ambiente aus, das dem Menschen gut tut.