Was war denn da los, Herr Wanders?

By | 4. April 2018

wandersIdeatIdeat 2/2018  Beim Mondrian Hotel in Doha griff Marcel Wanders in die Vollen. Dem Niederländer gelang damit ein ästhetisches Spektakel, dass zwischen arabischen Bling Bling und Alice im Wunderland changiert. Der Spaßfaktor ist garantiert.

Wir wissen nicht, ob wir wirklich eine Reise nach Doha empfehlen sollen. Die Hauptsehenswürdigkeiten in der Hauptstadt von Katar sind eine Corniche mit bizarren Hochhäusern, ein öder Park rund um ein Stadion sowie ein Museum für Islamische Kunst, dessen Eintritt kostenlos ist. Aber wenn man schon mal dort ist, sollte man das Mondrian Hotel nicht versäumen. Das ist in einem dieser Hochhäuser untergebracht, bei deren Anblick man sich fragt, ob man selbst oder der Architekt eine Portion LSD zu viel eingenommen hat. Das Interior des Mondrian wurde von dem niederländischen Designer Marcel Wanders gestaltet und wenn man die Halle betritt, stellt sich die Frage nach dem LSD nicht mehr. Hier muss etwas geschehen sein, das unsere Begriffe von gutem Design über den Haufen wirft und wenn man einmal durchgeatmet hat, ahnt man auch, dass das nicht nur nicht schlecht, sondern sogar ziemlich gut ist. Marcel Wanders war der Anführer einer Designrevolution, die in den Neunzigern in den Niederlanden losbrach. Er und seine Mitstreiter hatten die Nase voll von all dieser Vernunft. Schluss mit „less is more“ oder „form follows function“, wer will den so was? Wanders erforschte mit kecker Vorurteilslosigkeit die Möglichkeit Gelsenkirchener Barock mit modernen technischen oder dekonstruktiven Verfahren zu kombinieren. Vieles davon steht heute in den besten Designmuseen der Welt und gilt bereits als Klassiker. Wanders wurde darüber zu einem der erfolgreichsten Designer der Gegenwart, er betreibt in Amsterdam ein Büro mit 60 Mitarbeitern und erhielt offenbar mit dem Mondrian die Möglichkeit, sich noch einmal selbst zu übertreffen. Er arbeitete dafür völlig enthemmt. Warum nicht Säulen wie Gelsenkirchener Tischbeine gestalten? Warum nicht eine vergoldete Glocke über einen riesigen Kronleuchter stülpen? Und wer sagt eigentlich, dass das Geländer einer Wendeltreppe nicht aussehen kann, wie Brüsseler Spitze? In Schwarz. Wenn man sich als Designer so etwas getraut hat, ist der Schritt auch nicht mehr weit, im Foyer riesige Pilze wachsen zu lassen – sie sehen aus, als wären sie aus dem Land der Schlümpfe geborgt. Was sagt man dazu? Arabisches Bling Bling trifft europäische Trash-Kultur und erschafft eine ebenso entgrenzte wie komische Design-Fusion, für die es noch keinen Namen gibt. Doha, so scheint es, hat endlich eine Touristenattraktion, für die die Reise lohnt – ästhetische Trittsicherheit und Schwindelfreiheit vorausgesetzt.