Die Kunst des guten Klimas

By | 24. Oktober 2013

Next_SchumacherMuseumNEXT. So Leben wir morgen (Hrsg: RWE) , Heft 2/2013

Das Emil Schumacher Museum in Hagen kann sich sehen lassen – nicht allein wegen der dort ausgestellten Bilder. Es ist eines der ersten deutschen Kunstmuseen mit nachhaltiger Haustechnik. Die genügt sogar den strengen konservatorischen Standards.

Text: Christian Tröster

Dieses Haus ist eine Maschine – und keiner merkt es. Stille herrscht in den Galerien des Emil Schumacher Museums, kühl ist es im Sommer, warm im Winter und klares Licht bringt zu jeder Tageszeit die Kunstwerke zum Leuchten. Starke Farben, kräftiger Auftrag und energiegeladene Striche kennzeichnen das Werk des Hagener Künstlers Emil Schumacher (1912-1999), der den abstrakten Expressionisten zugerechnet wird. Manche Besucher sind so fasziniert von seinen Bildern, dass sie eine Stunde lang davor sitzen und einfach schweigen. Springt dann die Klimaanlage an, hört man: Nichts! „So leise und unsichtbar ist die Haus-Technik“, sagt Matthias Schenk vom Immobilienbetrieb der Stadt Hagen, „dass die Besucher nicht einmal danach fragen!“

Würden sie es tun, würden sie staunen. Vor allem darüber, wie präzise man das Raumklima steuern kann ohne auch nur ein Gramm CO2 in die Atmosphäre zu blasen. „Die Kunstwerke“, erläutert Rouven Lotz, Leiter des 2009 eröffneten Museums, „werden wie Patienten auf der Intensivstation überwacht“ – sie sollen für Generationen bewahrt werden.

Und das ist gar nicht so einfach. „Jede Schwankung von Temperatur und Luftfeuchtigkeit ist schlecht für die Gemälde“, erläutert Restauratorin Diana Vogel. Die Leinwand arbeitet unter dem Einfluß wechselnder Luftfeuchtigkeit und Temperaturen, sie quillt dabei auf, wirft Falten oder spannt. Schlecht daran ist, dass die Farbschicht unter den gleichen Umständen ganz anders reagieren. Das Ergebnis: Zuerst gibt es Risse, dann fällt die Farbe ab. Um das zu vermeiden, muss das Klima in Museums- und Ausstellungsräume viel genauer kontrolliert werden als etwa in Büros. Die Temperatur darf nur um maximal zwei Grad schwanken, die Luftfeuchtigkeit um drei Prozent. Das kostet Energie, denn es verändern sich drumherum nicht nur Wind, Wetter und Sonnenstand, sondern drinnen auch die Zahl der Besucher, die teils in großen Gruppen kommen. So aufwändig ist es, dagegen zu halten, dass einige Restauratoren  schon fordern, die strengen Regeln zu lockern. Als Argument führen sie den hohen CO2-Ausstoß älterer Anlagen an: Kunst oder Klima, das ist hier die Frage!

Das Emil Schumacher Museum hat sie eindeutig beantwortet: beides kann man gleichermaßen schützen, wenn man mit regenerativen Energien arbeitet. „Dabei“, sagt Rouven Lotz während er durch die Galerie voll sonniger, kräftig roter und erdig brauner Gemälde führt, „dabei sind nicht nur wir selber sondern auch die Leihgeber extrem pingelig mit der Kunst“. Die Leihgeber fragen, bevor sie ein Bild herausrücken, nach den Klimaschleusen zwischen LKW und Haus. Sie verlangen für den Transport LKW mit Luftfederung und schließen bestimmte Autotypen aus, weil die nicht gut genug gefedert sind. Und, so hat Rouven Lotz immer wieder festgestellt, sie entscheiden nach Facility Report, also nach der Haustechnik. Wenn Lotz besonders wertvolle Bilder leihen will, muss er nachweisen, dass das Haus präzise klimatisiert ist. „Bislang“, sagt der Direktor, „sind die Leihgeber immer zufrieden“. Sein Haus hat bereits Werke millionenschwere Werke von Emil Nolde, Willem de Kooning und Jean Dubuffet zeigen können.

Wie raffiniert die Haustechnik im Emil Schumacher Museum arbeitet, darauf verweist an dieser Stelle Matthias Schenk. „Hier durch die Rahmen“, sagt er und deutet auf die Fenster im Treppenhaus, „fließt im Winter zwanzig Grad warmes Wasser, dann beschlagen die Scheiben nicht“. Jetzt im Sommer ist es allerdings brütend warm hinter der großen Glaswand. Nur einen Schritt weiter aber, in der Galerie, ist es kühl wie in einem Keller, obwohl beide Bereiche nicht durch eine Tür getrennt sind. Wie geht das denn? „In den Ausstellungsräumen herrscht Überdruck“, sagt Schenk, „die warme Luft aus dem Treppenhaus kommt nicht über die Schwelle“. So elegant kann Klimatechnik heute sein.

Das Herz der Anlage schlägt im Keller, und als Matthias Schenk hier die Tür aufschließt, ist es vorbei mit der Ruhe. Hier unten bullert eine riesige Maschinerie auf insgesamt 700 Quadratmetern. In kilometerlangen Rohren wälzt sie Luft und Wasserströme durchs Haus. Jede Wand ist mit Kupferrohren für Warm- und Kaltwasser bewehrt, jede Decke, viele Schattenfugen und manche Stützen haben Öffnungen für Zu- und Abluft. Zusammen ergibt das einen komplizierten Kreislauf, in dem ein Ausgleich zwischen Wärme und Kälte, zwischen verbrauchter und frischer, zwischen winterlicher Kaltluft und sommerlicher Warmluft hergestellt wird. Das Nachhaltige daran ist, dass die Energie dafür tief aus der Erde kommt. Um das Wasser zu temperieren wird es 99 Meter in den Untergrund gepumpt. Dort ist es im Sommer kühler und im Winter wärmer als an der Erdoberfläche, die Differenz ist der Gewinn für das museale Klima. Wieder oben wird das Wasser genau dosiert in Galeriewände und Fußböden geführt. Ähnlich wird mit der Luft verfahren. Für sie gibt es einen umlaufenden Kellergang von hundert Meter Länge – der sogenannte Erdwärmetauscher. Die gesamte Zuluft für das Haus wird hier hindurchgeleitet und so temperiert – ganz primitiv mit der Temperatur der Erde, die man auch in jedem privaten Keller als kühl (im Sommer) oder warm (im Winter) empfindet. „Dieser Betonkanal“, erläutert Matthias Schenk, „bringt jeweils 4 Grad Temperaturveränderung“ – und spart entsprechend Energie. Die Liste der technischen Anlagen im Hagener Museum ließe sich noch lange fortsetzen, von Lamellen für die Verschattung des Glasdaches über Photovoltaikpaneel und Wärmepumpen bis zu 400 Zonenventilen, die dafür sorgen, dass die benötigten Energien immer dort ankommen, wo sie benötigt werden. Das Museum verbraucht auf diese Weise keine fossilen Brennstoffe, es arbeitet zu hundert Prozent mit regenerativen Energien. „Der ganze Aufwand, nur für Temperatur, Frischluft und Luftfeuchtigkeit“, lacht Matthias Schenk, „das ist für Laien schwer zu verstehen“. Für Fachleute leider auch. Auch zwei Jahre nach der Eröffnung krankt das System an Kinderkrankheiten, es gibt Streit mit Herstellern und Handwerksfirmen. Doch dass auch diese Probleme irgendwann gelöst sein werden, ist sich Matthias Schenk ganz sicher. Woanders, etwa im Kunstmuseum Kolumba in Köln, funktioniere das System schließlich auch:„Wenn die Mängel beseitigt sind, haben wir eine erfreuliche Technik“, sagt Schenk, „das ist sowas von komplex, einfach gigantisch!“ Nur Direktor Rouven Lotz dämpft seine Begeisterung, jedenfalls ein ganz kleines bisschen. „Das Gebäude“, stellt er seine Position zu der Sache klar, „ist ja nicht für die Klimarettung errichtet worden, sondern um die Gemälde zu konservieren. Das Energiesparen ist nur ein Zusatznutzen“.

 

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